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- 23 September 2016
„Zellstoff“
Vernissage zu René Schoemakers Arbeiten auf dem Papier
Unter dem Titel „Zellstoff“ lud die Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein am 19. September zu einer Vernissage des Kieler Malers und Philosophen René Schoemakers in ihre Räumlichkeiten in Kiel im Faluner Weg 6 ein.
Mit seiner Begrüßungsrede an die Gäste und den Künstler stellte Dr. Bernd Brandes-Druba gleichzeitig den neuesten und mal wieder einzigartig gelungenen Ars-Borealis-Katalog vor. An dieser Stelle auch einen Dank an die Firma Carius Druck Kiel GmbH, die diesen Katalog, wie auch viele Ausgaben davor in dieser Reihe, in hervorragender Qualität herausgebracht hat.
In einer 20-minütigen Laudatio stellte Dr. Christian Walda, Kurator des Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Schloß Gottorf in Schleswig, den Künstler und seine Arbeiten vor. Dabei machte er kurze, prägnante Ausflüge in die Bereiche Hermeneutik und Metaphysik, die dem Publikum beim Betrachten von René Schoemakers Werken zum Verständnis beitragen konnten.
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Zu dieser Ausstellung wurden noch zwei seiner Werke aus der Reihe "The Missing Kink" zusätzlich mit installiert. Mit den hier im Artikel abgebildeten Fotos zeigen den Künstler René Schoemakers zwischen dem zweiteiligen Gemälde aus der Serie: „hephaiste! take up thy stethoscope and walk! (II)“ | 2009 | Acryl auf Leinwand | zweiteilig, je 200x145 cm und neben dem Gemälde "carne levale III" von 2012, ebenfalls Acryl auf Leinwand, das einen Totenkopf aus Legosteinen zeigt. Dieses Gemälde ist schon seit langem im Besitz der Sparkassenstiftung.
Der Legototenkopf ist gleichzeitig der UR-Lego-Totenkopf, der bei dem Künstler im Original noch zu Hause steht, natürlich nur gesteckt – nicht geklebt. Deshalb ist äußerste Vorsicht geboten beim Anfassen des Objektes bei einem Besuch des Künstlers. Aus einer Eingebung heraus – getreu nach dem Motto: „Wir basteln uns einen Totenkopf“ und dem Vorhandensein eines Legobaukastens - entstand dieses Kunstwerk.
Einer Idee von Arne Rautenberg ist es dabei noch zu verdanken, dass mittlerweile eine Edition von 9 Exemplaren entstanden ist, die - wie zu erfahren war - natürlich auf Anfrage, käuflich zu erwerben ist.
Der Totenkopf, ein in der klassischen Malerei beliebtes Objekt, das im 17. Jahrhundert als Varitas-Symbol in den ersten, großen Gemälden auftauchte, wird hier in einer abstrakteren Form dargestellt.
In seiner Darstellung in „doubletrekking“ taucht dieses Modell nochmals auf und wirkt neben den anderen Objekten fast schon neckisch deplatziert.
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Wobei man nun schon beim eigentlichen Thema dieser Ausstellung wäre. Der Titel "Zellstoff - Arbeiten auf dem Papier" beinhaltet Zeichnungen in Serien zusammengefasst, die hauptsächlich mit Farbstift, schwarzen oder blauen Kugelschreiber auf weißen oder getönten Papier, teils weiß gehöht, in verschiedenen Formaten entstanden sind.
„doubletrekking“ ist jetzt auch in Kiel zu sehen. Die Serie besteht aus 12 gerahmten Zeichnungen in verschiedenen Formate, die 2015 angefertigt wurden. Vom morbiden Zynismus („Daumen hoch“) bis zur ästhetischen Form einer Madonnendarstellung ist eigentlich alles dabei, was zur Anatomie und Physiognomie des „Menschen“ gehört.
Das älteste der hier gezeigten Werke ist das 5er-Ensemble „Unsere kleine Farm II“. Das sind 5 gerahmte Blätter, die 1998 entstanden sind. Die Motive, die mit Acrylfarben auf Papier aufgebracht wurden, versuchen den Betrachter schon durch den Untertitel „Die Welt ist klein. ( 1 : 1 )“ seine Sicht auf die dargestellten Dinge zu reduzieren bzw. sie gegeneinander in Beziehung zu bringen. Täuschungen sind dabei inbegriffen.
Es sind die links oben abgebildete zerbrochene Eischale / eine Gabel / ein Mann mit Brille auf deren Gläsern jeweils „Auge“ steht / Ein wahrscheinliches Kinderspielzeug / Eine abgebildete Frauenbrust, die von 3 Fingern berührt wird. Durch die Komposition mit dem schwarzen Hintergrund wirken die Objekte ästhetisch eingebettet, haben schon etwas Heiliges an sich. Hier könnte der Betrachter „Das Maß aller Dinge“ erkennen.
Mit seiner blauen Serie von 2005 („Studie I - IV“) - Acrylfarben und Farbstift - läßt Schoemaker seine Objekte so eintauchen, das sie als tiefenentspannte Stillleben wirken.
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Von der grünen Phase zeugt das 3-teilige „Wingdings I - III“ von 2003. Wingdings ist auch als Schriftart bekannt, die mit symbolhaften Zeichen spielt. Die hier dargestellten Symbole präsentieren eine Diskette, ein Stundenglas und eine Lupe die hier in spielerischer Form und Leichtigkeit in Szene gesetzt werden.
„Weltinventur. Reste“. In dieser 19-teiligen Serie, die 2008 entstanden ist, läßt sich René Schoemakers mit dem Kieler Künstler und Lyriker Arne Rautenberg auf eine Symbiose zwischen seinen Zeichnungen und Rautenbergs Texten ein. Beide Künstler hatten sich während ihres Studiums in Kiel kennengelernt, gingen doch anschließend erst mal ihrem eigenen Genre nach.
Es existierte eine Reihe von "Skizzen" bei René Schoemakers, die nie zur Veröffentlichung gelangten und schon seit längerer Zeit in einer Schublade ihr Dasein fristeten.
Mit der Bitte diese Skizzen zu vervollständigen, schickte er diese an Arne Rautenberg. Die Skizzen wiederum brachten Rautenberg auf den Gedanken mit seinen eigenen Fragmenten aus verworfenen und angefangenen Texten zu einer gewissen Vervollkommnung dazu beizusteuern. Hier trifft Text auf Zeichnung. Ob sich Rautenberg und Schoemakers dabei zusammen gefunden haben? Das kann nur in den Gedanken des Betrachters liegen.
Makabres, Desillusionierendes, Kurioses, Comichaftes werfen Fragen auf.
Da ist der, an einer Kinderzeichnung erinnernde, mit Anbau versehene, "Das ist das Haus vom Nikolaus", Entwurf von Schoemakers mit folgendem Text Rautenbergs "Zogen Freunde von mir, oder zog ich von den Freunden". Eine Anspielung auf die Vereinsamung oder Vernachlässigung in der heutigen Gesellschaft?
Eine wunderbare Skizze eines Stadtbildes von Kleve, der Geburtsstadt von René Schoemakers mit dem Text " Nach dem Weg oder der Uhrzeit fragen bedeutet alles". Bei der heutigen Vernetzung eine eher gewagte Hypothese.
Makaber wird es bei dem Sensenmann in Miniaturausgabe der in einer Hand festgehalten wird mit dem Untertext "Wozu in die Ferne schweifen, wo das Weite doch so nah".
Weitere Fragmente von Rautenberg: "Wahrheit ist nur die fehlerhafte Übersetzung einer Lüge", „Die Unmöglichkeit der Vervielfältigung des Einmaligen“ oder „Die Zerstörung der Wände“ geben einen Eindruck wider, was den Betrachter bei dieser Serie erwartet.
Die teils erklärend (?), entrückt (?) oder verwirrend (?), ja sogar verstörend (?) wirkenden zusammengesetzten Fragmente sind eine starke Herausforderung an den Betrachter hier, mittels seiner Wahrnehmung, eine Fusion aus Erkenntnis, Klarheit oder Illusion zu erlangen, wobei die beiden Künstler dabei als „Brandbeschleuniger“ zur Verschmelzung führen können.
Der oft zitierte Satz: „Was will uns der Künstler damit sagen“ fiel schon in der Rede von Dr. Christian Walda, dabei gibt uns René Schoemakers nur die Hinweise; er legt gewissermaßen eine Spur zur unserer eigenen Wahrnehmung und bringt uns dazu unsere anschließenden Interpretation zu finden. Es ist wie bei dem Künstler selbst eine starke Herausforderung Inhalt und Form zusammen zu bringen. Fremdes zum Vertrauten werden lassen oder umgekehrt. Die Widersprüchlichkeit der Welt in seinen Darstellungen sinnlich zu (er)klären. Klarheit oder Illusion? Manchmal ist es nur ein kleiner Verweilmoment, der uns den Blick auf die Welt des René Schoemakers öffnet.
Eine Bemerkung noch am Rande zu Arne Rautenberg. Zum ersten Mal wird es einen Preis für Kinderlyrik geben, der nach dem Schriftsteller Josef Guggenmos (1922 -2003) benannt wird. Dem Schriftsteller und Künstler Arne Rautenberg kommt diese, mit 3000 Euro dotierte, Auszeichnung zuteil für sein jüngst erschienenes Buch „unterm Bett liegt ein Skelett“, das Gruselgedichte für mutige Kinder versammelt. „Dieser Dichter nimmt die Sache so ernst, dass ihm Leichtigkeit gelingt“, urteilte die Jury und attestiert dem 49-Jährigen tiefen Humor wie tiefen Sinn. Der Preis wird ihm am 18. November in Volkach verliehen.
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Zur Ausstellung erscheint das 37. Heft aus der Reihe ARS BOREALIS.
Die Ausstellung ist vom 20. September bis zum 04. November 2016 in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein im Foyer des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig-Holstein, Faluner Weg 6, 24109 Kiel, werktags von 9:00 – 16:00 Uhr, freitags bis 14:00 Uhr, zu besichtigen. Parkplätze stehen direkt am Haus zur Verfügung. Weitere Informationen über die Stiftung und zur Ausstellung erhalten sie unter www.sparkassenstiftung-sh.de .
Der Eintritt ist frei.
Wilfried Likuski
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