Lydia Lohse und Dieter Engler erinnern sich
Zwei Menschen, die es genau wissen, sind meine Gäste bei „mettenhof.de".
Wir wollen uns über das ökumenische Zentrum „Birgitta-Thomas-Haus" in Kiel-Mettenhof unterhalten.
Wie kam es dazu? Wie war der Startschuss? Ging es nur um ein Bauwerk oder steckte eine ökumenische Idee dahinter? Gab es Höhen und Tiefen in der Zusammenarbeit? Was würden die Altvorderen heute anders machen? Welchen Rat geben Sie anderen Kirchengemeinden, die auch so ein Ökumenisches Zentrum errichten wollen?
Das sind die Fragen, die ich Lydia Lohse (L.L.) von der evangelisch-lutherischen Thomas-Gemeinde und Dieter Engler (D.E.) von der römisch-katholischen St. Birgitta Gemeinde stellen werde. Lydia Lohse war schon 1969 dabei und Dieter Engler stieß 1975 dazu.
Heinz Pries: Bevor wir uns dem BTH zuwenden. Frau Lohse, Herr Engler, was führte Sie nach Mettenhof und wie gestaltete sich nach Ihrem Einzug in den Stadtteil am Rande der Stadt das kirchliche Leben für Sie ganz persönlich?
L.L.: Als wir aus beruflichen Gründen nach Mettenhof kamen, fanden die Gottesdienste in der Aula der Max-Tau-Schule statt.
Im September 1969 wurde das Gemeindezentrum am Jütlandring eingeweiht. Dort wurden nun die evangelischen Gottesdienste gefeiert und andere kirchliche Veranstaltungen durchgeführt. Für manche Veranstaltungen standen uns auch die Pastorate zur Verfügung.
D.E.: Mit meiner Versetzung nach Kiel im Dezember 1975 habe ich gleich meine Aktivitäten in der katholischen Gemeinde aufgenommen.
Unsere Gottesdienste fanden ebenfalls in der Max-Tau-Schule statt. Mein Interesse für die Ökumene war durch meine berufliche Tätigkeit bei der Bundeswehr begründet. Die anderen kirchlichen Veranstaltungen fanden zum Teil in der Wohnung des katholischen Pfarrers Cordes statt.
H.P.: Erinnern Sie noch, ob und wo der Bebauungsplan für Mettenhof die Errichtung von kirchlichen Einrichtungen vorsah? Gab es gleich die Idee, dass beide Konfessionen ihre kirchliche Heimat in räumlicher Nachbarschaft finden sollten?
Beide: Städtebaulich war geplant ein evangelisches und ein katholisches Gemeindezentrum mit Kirchen im Abstand von ca. 500 m zu bauen. Dadurch, dass die kirchliche Arbeit für die Christen in Mettenhof in der Max-Tau-Schule parallel lief und die Pastoren eng zusammenarbeiteten, kam schnell die Idee von der Basis auf, ein gemeinsames Kirchenzentrum zu errichten. Für die Gemeindemitglieder beider Kirchen war es unvorstellbar, zukünftig an zwei Orten die kirchlich zu arbeiten. Man war der Meinung, dass die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft verloren ginge und die Gemeinden ihrer Verantwortung gegenüber dem Stadtteil nicht gerecht würden, wenn nicht gemeinsam die kirchliche Arbeit geleistet werden sollte.
H.P.: Ein ökumenisches Zentrum, in dem evangelische und katholische Christen Kirche und andere Räume gemeinsam und in Absprache nutzen, war zu Beginn der 1970er-Jahre sicher eine Idee, die nicht gleich überall Anklang fand.
Kam der Anstoß von der kirchlichen Basis oder wurde von oben herab bestimmt, dass Mettenhof ein ökumenisches Zentrum bekommen sollte? Und, was ja auch ganz spannend ist, wurde die Idee gleich von Anfang an von allen Beteiligten mit Begeisterung aufgenommen oder gab es Widerstand und Bedenken?
Beide: Auf der evangelischen Seite war der Wille, ein solches Zentrum zu errichten, stark ausgeprägt. Die ganz große Mehrheit der katholischen Christen war auch für das Zentrum, aber es gab auf beiden Seite auch Bedenken, ob nicht durch ein solches Zentrum die Glaubensüberzeugungen der Konfessionen verwischt werden würden.
Bei beiden Kirchen waren die Widerstände der übergeordneten Stellen sehr stark. Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten um uns am Ende durchzusetzen.
H.P.: Welche Idee versteckte sich damals hinter dem „Ökumenischen Zentrum".
Ging es nur darum ein Zentrum zu schaffen, in dem die Räumlichkeiten ausreichend genutzt werden sollten oder wollte man von Anbeginn an diejenige kirchliche Arbeit zusammen führen, die zusammengeführt werden konnte?
Beide: An der Basis standen die ökumenischen Argumente in Vordergrund. Zur damaligen Zeit gab es eine richtige ökumenische Aufbruchstimmung. Den wirtschaftlichen Vorteil sah man aber auch.
In der entscheidenden Vereinbarung zwischen den Kirchen wurde verabredet, dass die Kirche von der katholischen Seite und die übrigen Räume von der evangelischen Seite errichtet werden sollten. Ein gegenseitiges Nutzungsrecht der Räume wurde vereinbart. Die Räume sollten eine bauliche Einheit bilden. Die Betriebskosten wurden entsprechend der Gemeindegrößen aufgeteilt.
Der Basis war wichtig, dass durch die gemeinsame Nutzung einer Kirche und eines Altars der ökumenische Auftrag besser erfüllt werden kann, als durch zwei getrennte Kirchen, wie es in einigen anderen ökumenischen Zentren der Fall ist.
Die 40jährige Praxis hat diesen Gedanken bestätigt. Heute weiß man auch den wirtschaftlichen Vorteil sehr zu schätzen.
D.E.: Ergänzend erinnere an das in der Bibel überlieferte Gebet Christi und zitiere: "Vater lass sie alle Eins sein, so wie wir eins sind, damit die Welt glaubt."
Dieses Gebet ist Auftrag für alle Christen und wird auch in Mettenhof so bewertet.
H.P.: In der Ausstellung, die zu Pfingsten 2020 an die Einweihung des Zentrums an Pfingsten 1980 erinnerte, wurde sehr anschaulich dargestellt, wie eindrucksvoll alles begann.
Sie waren dabei. Welche Hoffnungen und Erwartungen haben Sie ganz persönlich mit dem Zentrum verbunden? Haben sich die Hoffnungen und Erwartungen erfüllt?
Beide: Zu Anfang gab es Reibungspunkte und viele Bedenken und Kleinkrämerei. Es erforderte das ganze Geschick der handelnden Personen, das ökumenische Miteinander zur beiderseitigen Zufriedenheit zu gestalten.
Nach 40 Jahren kann man sagen, das gute Miteinander ist geglückt.
H.P.: Ziel des Ökumenischen Zentrums war und ist es, dass die Konfessionen näher zusammenrücken und dass auch andere christliche Kirchen im BTH ein offenes Haus finden.
Was meinen Sie, ist das ökumenische Ziel im Großen und Ganzen erreicht? Gab es Rückschläge, die einen manchmal mutlos machten? Gibt es noch viel zu tun, um das Ziel zu erreichen, dass es in Mettenhof eine erfolgreiche und unwiderrufliche Ökumene gibt?
Beide: Das Ökumenische Zentrum in Kiel-Mettenhof hat im Stadtteil einen guten Namen. Es ist zu einem weit hin sichtbaren und respektierten Zeichen für den Willen zur Zusammenarbeit zwischen der evangelisch-lutherischen und der römisch-katholischen Kirche geworden. Es wurden nicht nur die Vorurteile abgebaut, sondern es wurde auch gelebt, dass beide Seiten voneinander lernen und sich in ihrer Arbeit befruchten.
Im späteren Verlauf hat sich das ökumenische Zentrum für christliche Gemeinschaften aus aller Welt, die in Mettenhof leben, geöffnet. Es treffen sich dort heute Christen aus Russland, Eritrea, Vietnam.
D.E.: Wenn man diese Entwicklung erkennt, fallen einem automatisch auch Berichte über Zustände und Geschehnisse zwischen den Konfessionen in früheren Jahren und Jahrhunderten ein.
Dadurch wird erst richtig deutlich, welche glückliche Entwicklung sich in unserer Zeit durchgesetzt hat.
H.P.: In anderen Sprengeln der Nordkirche wird überlegt, auch Ökumenische Zentren zu errichten.
Wenn man Sie fragen würden, ob das ein guter Weg ist, wie würde dann Ihre Antwort lauten?
Beide: Wir würden den Weg noch einmal gehen.
Den christlichen Auftrag, den Menschen zu dienen, sollten wir nicht abgegrenzt nach Konfessionen sondern nur gemeinsam erfüllen. Ökumenisch zu handeln ist spannender und bereichernder als getrennt zu arbeiten. Allerdings ist dieser Weg auch ein sehr viel arbeitsreicherer Weg.
Jede Gemeinde braucht aber auch ein Stück Eigenleben. Soweit wir können, würden wir mit unseren Erfahrungen hilfreich zur Seite stehen.
Wir hoffen, dass unsere Erfahrungen auch in der Zukunft von künftigen Generationen so erlebt werden können. Vermutlich werden in Zukunft die Kirchen durch die gesellschaftlichen Veränderungen sowieso enger zusammenrücken. Dann können unsere Erfahrungen helfen.
D.E.: Für mich bedeutet Ökumene: Aufbruch aus einengenden Überzeugungen, Abschütteln belastender und trennender Vorurteil, Wegweiser zur Glaubenseinheit und Überwindung von Fremdsein.
Beide: Bei allem Kraft- und Zeiteinsatz können wir sagen: der Einsatz für das BTH hat unser Leben bereichert.
Text: Dieter Engler, Lydia Lohse, Heinz Pries
Bilder: Privat